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Einen Termin bei Facharzt zu bekommen ist genauso schwierig, wie die viel zitierte Nadel im Heuhaufen zu finden. Gleiches gilt für Heilmittelbringer wie Ergotherapeuten, Physiotherapeuten oder Logopäden. Fachpersonal aus diesem Bereich zu finden, wird immer schwieriger. Denn ausgebildet wird in Therapieschulen, die bisher Schulgeld verlangt haben. Eine teure Angelegenheit und nicht jeder, der einen Job im Heilmittelbereich anstrebt, kann das Geld aufbringen. Jochen Timmermann vom Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) in Cuxhaven sucht dringend Logopäden und hat sich deshalb überlegt, wie das Thema fehlende Fachkräfte angegangen werden kann. 

 

Wer glaubt, sprechen zu können sei selbstverständlich, der irrt sich. Und wer denkt, nur Kinder sind von Sprachstörungen betroffen, irrt sich ebenfalls. Tatsächlich zählen Sprachstörungen nämlich zu den häufigsten Folgen von Hirnschädigungen, wie sie beispielsweise bei Schlaganfällen, und psychosomatischen Erkrankungen auftreten. Sprachstörungen können also sowohl einen physischen als auch einen psychischen Auslöser haben. Patienten mit letzterer Diagnose werden im Medizinischen Versorgungszentrum „Timmermann und Partner“ behandelt. Das Team um Jochen Timmermann, Gründer des MVZ und Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Kinder- und Jugendpsychotherapie, Allgemeinmedizin, Kinder- und Jugendmedizin sowie Ernährungsmedizin, deckt die Bedürfnisse von Menschen mit körperlichen und psychischen Krankheiten ab. Neben den Fachärzten gehören auch Spezialisten aus dem Heilmittelbereich zum Team. Gemeint sind damit Ergotherapeuten und Logopäden. Doch Letztere seien nur sehr schwer zu bekommen, sagt Jochen Timmermann. „Seit vielen Jahren sind Logopäden in unserer Praxis unverzichtbar, denn sie ergänzen die Therapie der anderen Fachärzte. Logopäden spielen also eine große Rolle, waren aber schon immer schwer zu bekommen“, so Jochen Timmermann. Gerade Menschen mit psychischen Problemen kämpfen häufig mit sprachlichen Defiziten. „Die Sprache ist bei der Therapie sehr wichtig. Wenn niemand da ist, der die Therapie dahingehend unterstützt, fehlt ein Zahnrad“, erklärt Timmermann weiter.

 

Kein Schulgeld mehr

Ein Grund, warum in diesem Bereich Fachkräfte fehlen, sei das Schulgeld. Die schulische Ausbildung musste bisher nämlich von den Auszubildenden mit mehreren Hundert Euro im Monat aus eigener Tasche bezahlt werden. Mittlerweile verzichten die meisten Therapieschulen aber auf das Schulgeld. Trotzdem „verirren“ sich nur wenige Logopäden ins Cuxland.

 

Vor Ort ausbilden

„Meine Idee ist deshalb, hier  Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen“, so Timmermann. Erste Gespräche mit den Berufsbildenden Schulen Cuxhaven hätten schon stattgefunden. „Die Plätze an den Schulen sind sehr begehrt. Die nächsten Schulen gibt es in Bremen, Oldenburg und Hamburg. Der Bedarf ist also sehr groß und es dürfte kein Hindernis geben, eine Klasse voll zu bekommen“, weiß Sina Teyke. Sie selbst hat vor zwei Jahren ihre Ausbildung abgeschlossen und arbeitet seither im MVZ Cuxhaven und Hemmoor. „Wir müssen die Ausbildung hier herholen. Dann haben wir die qualifizierten Leute vor Ort und können sie auch hier halten. Das wäre einfacher, als wenn wir sie von weiter
weg herlocken müssten“, so die 25-jährige Logopädin. „Mein Wunsch und Appell ist es, dass wir gemeinsam Ausbildungsmöglichkeiten schaffen und mutig sind, das Thema anzugehen. Wenn wir davon profitieren und Fachpersonal bekommen könnten, würde ich das unterstützen – beispielsweise finanziell“, so Timmermann. Von dieser Art Unterstützung hat auch Sina Teyke profitiert. Denn ohne finanzielle Hilfe hätte sie die Ausbildung nicht beginnen können. Mit der Schulgeldfreiheit für Gesundheitsfachberufe in Niedersachsen und Bremen (weitere Bundesländer verzichten ebenfalls auf Schulgeld) wurde ein großes Hindernis bei der Nachwuchsgewinnung
von den Landesregierungen abgebaut. Jetzt hofft Jochen Timmermann, dass in Cuxhaven Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen werden.

 

Foto & Text: Denice May, Cuxhavener Nachrichten