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Tinnitus nervt und zwar buchstäblich, die Ruhe raubenden Ohrgeräusche verursachen verschiedene Folgesymptome wie Schlaf- und Konzentrationsstörungen und sind selbst häufig durch Stress oder Lärm-“Verschmutzung” und -belastung verursacht. Wenn ein Tinnitus keine Entspannung mehr zulässt, entsteht Stress aus Stress – ein Teufelskreis für Betroffene. Musiktherapie kann ein Ausweg sein. 

Durchschnittlich fast jeder zehnte Deutsche leidet laut statista.com an Tinnitus. Die Lebensqualität der Betroffenen ist dadurch häufig stark eingeschränkt, der Bedarf an Therapiemöglichkeiten entsprechend groß. Musikalische Therapieansätze dürften in Zukunft vermehrt eine Rolle spielen, denn ihre Wirkweise ist vielversprechend und frei von Nebenwirkungen.

Fieser die „Glocken“ nie klingen

Tinnitus (von lat. tinnire für „das Klingeln“ der Ohren)  ist zunächst einmal nur ein Symptom einer gestörten Hörwahrnehmung, bei dem der Betroffene Geräusche wahrnimmt, denen sich keine äußeren Schallquellen zuordnen lassen – der Krach kommt „von innen“. Die Ursachen  dafür können sehr vielfältig sein, zum Beispiel vorangegangene Überreizung durch tatsächliche, dauerhafte Dezibel-Lärmbelästigung aber auch Belastungen durch Stress. Eine einheitliche Behandlung gibt es darum nicht und die lästigen Geräusche können trotz Medikamenten weiter bestehen.

Kognitive Verhaltens- und hier insbesondere Musiktherapie kann einen Tinnitus lindern helfen. Dr. Annette Cramer entwickelte ihre „Tinnitus zentrierte Musiktherapie“, die aus vier Bausteinen und einem Übungsprogramm auf CD besteht, mit dem sich auch zuhause trainieren lässt.

Die vier Bausteine sind:

  1. Hörberatung: Nach sorgfältiger medizinischer Bestandsaufnahme (griech. „Anamnese“) und Abklärung von Begleitsymptomen wie beispielsweise Schlafstörungen erfährt der Patient Wichtiges über Tinnitus im Allgemeinen. Zusätzlich kann bei Bedarf ein Hörgerät und Sprach- und Stimmpflege empfohlen werden.
  2. Hörtherapie: Selektives Hören stärkt die auditive Wahrnehmung und fördert die Gewöhnung an den Tinnitus. Denn Tinnituspatienten richten typischerweise sehr viel Aufmerksamkeit auf ihren Tinnitus. Durch Aufgaben, die zu musikalischer Begleitung bearbeitet werden, kann der Patient die eigene Aufmerksamkeit vom Tinnitus weg auf die Musik richten. Zusätzlich lernen Patienten die Melodien von Liedern auswendig. Durch bloßes Denken an die Melodien lässt sich der Tinnituston dann oft schon in den Hintergrund drängen.
  3. Entspannungstechniken: Durch Tinnitus geht die innere Ruhe „flöten“, deswegen lernen Patienten wieder, wie sie sich ganz gezielt und wirksam entspannen können. Beispielsweise lassen sich Elemente aus der progressiven Muskelentspannung, zu Begleitmusik durchführen. Welche Musik hier individuell am wirksamsten ist, wählt der Therapeut hinsichtlich mehrerer Kriterien mit dem Patienten gemeinsam aus.
  4. Sensorisch-integrative Musiktherapie mit dem Ziel einer verbesserten Eigenwahrnehmung. Ein Tinnitus kann das gesamte Leben und Empfinden eines Patienten vollkommen vereinnahmen und beherrschen, das für nichts anderes Raum bleibt. Manche Patienten leiden an Schwerhörigkeit und dadurch an eingeschränkter Wahrnehmung. Therapeutisch eingesetzt können Schall und Vibration die Wahrnehmung wieder verbessern. Ab einer bestimmten Intensität aktivieren Schwingungen durch Schallwellen entweder Rezeptoren des Gehörs oder auch zusätzliche Rezeptoren der Haut (genauer die „Pacini-Körperchen“). Diese sanften Vibrations-Reize des Gehörs und der Haut wandelt der Körper in Nervenimpulse um. Auf diese Weise kann sich das Nervensystem beruhigen und in der Folge die Muskulatur entspannen, Kopfschmerzen können nachlassen und Schwindelgefühle sich verringern.

Speziell für die sensorisch-integrative Musiktherapie entwickelte Dr. Annette Cramer ein therapeutisches Monochord. Das Instrument besteht aus 25 Saiten und einem flexiblem Schwingbrett. Das Schwingbrett lässt sich um den Bauch und Rücken des Patienten legen, damit die Töne so auch fühlbar werden. Alle Saiten sind auf den individuellen, eigenen Klangbereich des Patienten gestimmt. Das ist jener Tonbereich, in dem man am energiesparendsten spricht, so dass die eigene Stimme in dieser Tonlage sowohl für einen selbst, als auch für die Zuhörer am angenehmsten klingt. Der Patient hört und fühlt auf diese Weise einen für ihn entspannenden Ton.

Ebenfalls gut für eine verbesserte Eigenwahrnehmung sind motorische Aufgaben in Verbindung mit Musik, beispielsweise Bewegung der Beine im Takt eines Musikstücks. Im MVZ Timmermann und Partner können Patienten in der Musiktherapie gezielt weiter behandelt werden.

 

Gastautorin:


Lena Trost studiert im fünften Semester Psychologie an der Universität Hildesheim. Von August bis September 2017 absolvierte sie ein zweimonatiges studentisches Pflichtpraktikum am MVZ Timmermann & Partner, hospitierte in Cuxhaven und Hemmoor  bei verschiedenen Therapieformen und stellte intern verschiedene Modelle der Musiktherapie vor: Neben der Tinnitus zentrierten  Musiktherapie nach Cramer auch die Heidelberger Musiktherapie und das „Tinnitus-Programm“ der Universität Münster.